Karrieren jenseits von Führung Grundlagen und Gestaltungsdimensionen von Expertenlaufbahnen in der betrieblichen Praxis Betriebliche Karrieren. Abgrenzung des Karrierebegriffs. Karriereformen und Karrierelaufbahnen. Wahrnehmung der Karriere. Karrieremanagement. Expertenlaufbahnen. Abgrenzung von Experten- und Führungslaufbahnen. Ziele von Expertenlaufbahnen. Einsatzgebiete für Expertenlaufbahnen. Merkmale von Experten. Konzeption von Expertenlaufbahnen. Gestaltungsdimensionen von Expertenlaufbahnen. Anforderungskriterien. Personalauswahl. Entwicklungswege und Beförderungen. Arbeits- und Aufgabengestaltung. Personalentwicklung. Unterstellungsverhältnis. Aus der Perspektive der betrieblichen Praxis sind die Unterschiede, die zwischen einer Fach- und einer Expertenlaufbahn bestehen mögen, nebensächlich. In beiden Fällen müssen jeweils aus unternehmensstrategischer Sicht Geltungsbereiche (Abteilungen, Jobfamilien, ein Personenkreis) einerseits und Stufungen andererseits festgelegt werden. Siehe 2.1 Abgrenzung von Experten- und Führungslaufbahnen für eine detaillierte Unterscheidung beider Begriffe. Nach den Erfahrungen und aus Sicht des RKW sind Fach-/Expertenlaufbahnen für mittelständische Unternehmen ein Zukunftsthema und stellen eine erhebliche personalwirtschaftliche Herausforderung dar, die das heutige Selbstverständnis von Organisation und Führung im Kern berührt. Die Spatzen pfeiffen es bereits von den Dächern: Junge Leute kommen mit neuen Vorstellungen, Prioritäten und Erwartungen in die Unternehmen, mittelständische Unternehmen mit sehr spezifischem USP und entsprechend spezifischen Kompetenzanforderungen machen sich zunehmend Gedanken, wie sie die besonderen Fachkräfte, die sie dafür brauchen, entwickeln und binden, Führungskräfte haben sich, damit die Unternehmen erfolgreich sein können, auf wirkliche Führungsaufgaben zu konzentrieren, das (mittelstandstypische) Muster, nur gute Fachkräfte auf die Führungslaufbahn zu schicken und dabei dann oft eine gute Fachkraft zu verlieren und eine für Führungsaufgaben ungeeignete Führungskraft zu bekommen, wird zunehmend als unwirtschaftlich erkannt - aber was wäre eine Alternative? In immer mehr mittelständischen Unternehmen entstehen mitunter nur informell geprägte - rudimentäre Laufbahnen für fachliche Schlüsselkräfte. Die Herausforderungen, die in der Einführung einer formellen hierarchischen Laufbahn neben der Führungslaufbahn liegen, sind von den Personalabteilungen in mittelständischen Unternehmen allein nicht zu stemmen. Hier ist das Management, besonders die Geschäftsführung, gefordert. Der Investitionsbedarf ist erheblich - aber die Kosten für eine unterlassene oder nur halbherzig durchgeführte zweite Laufbahn können ebenfalls beträchtlich sein. Immer mehr Unternehmen werden abwägen müssen. Im Kern geht es genau um diese Frage: Soll es in einem Unternehmen neben der Führungslaufbahn eine zweite formalisierte (hierarchische) Laufbahn geben, die Fachkräften definierter Bereiche eine ernstzunehmende Karriere - alternativ zum Führungsaufstieg - ermöglicht? Nicht jedes Unternehmen wird darum herumkommen, diese Frage (irgendwann) beantworten und eine Entscheidung treffen zu müssen. Zum konkreten Prozess einer - strategisch begründeten - Einführung einer Fachlaufbahn in einem mittelständischen Unternehmen sagt diese Veröffentlichung nur wenig. Dafür hilft sie umso mehr durch den Dschungel der Begriffe, Laufbahnkonzepte und Gestaltungsoptionen und trägt so erheblich zur Orientierung bei. Die Unterstützung beim Einführungsprozess in mittelständischen Unternehmen ist dem RKW-Leitfaden ''Fachlaufbahnen für mittelständische Unternehmen'' vorbehalten. Die Rahmenbedingungen, in denen Unternehmen heute agieren, sind gekennzeichnet vom demographischen und technischen Wandel, einer zunehmenden Globalisierung sowie einer Veränderung der Werte in der Gesellschaft (Kirchgeorg und Müller, 2013, Rump, Wilms und Eilers, 2014, Sauermann, 2011). Unter diesen Gesichtspunkten sehen sich immer mehr Unternehmen dazu gezwungen, ihre Personalstrategien zu überdenken und gegebenenfalls anzupassen, um qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren, weiterzuentwickeln, möglichst langfristig an das Unternehmen zu binden und damit dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken (Sims, 2007). Diese Trends zeichnen sich in besonderem Maße im Bereich des Ingenieurwesens sowie in der Forschung und Entwicklung ab (Wohlfahrt, Moll und Wilke, 2011). Unsere Gesellschaft entwickelt sich zunehmend zu einer Wissensgesellschaft, in der fachliche Kompetenzen und das Know-how den wichtigsten Vermögensgegenstand und einen strategischen Wettbewerbsvorteil für Unternehmen darstellen (Rump, Wilms und Eilers, 2014, Sauermann, 2011). Die Wissensträger - also die Mitarbeiter - spielen eine immer größere Rolle, und Unternehmen erkennen, dass viel investiert werden muss, um eine nachhaltige Mitarbeitergewinnung und -bindung zu gewährleisten. Der sogen
annte ''War for Talents'', das Ringen um qualifizierte Mitarbeiter, geht also über die Rekrutierung hinaus und bezieht sich ebenfalls darauf, Talente langfristig zu binden und somit Wissen im Unternehmen zu bündeln (für einen Überblick siehe Beechler, und Woodward, 2009). Mit dem ''War for Talents'' geht auch das Phänomen des ''Brain Drains'' einher. Können Unternehmen keine attraktiven Arbeitsbedingungen (Karrierechancen, angemessenes Gehalt, Anerkennung etc.) anbieten, so besteht die Gefahr, dass gut ausgebildete Personen abwandern und es somit zu einer Abnahme von Wissen kommt (Beine, Docquier und Rapoport, 2001), was wiederum dazu führt, dass sich der ''War for Talents'' potenziert. Programme wie das Lean Management, Downsizing und Outsourcing als Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Unternehmen, die aus verschiedenen Gründen mit einem Stellenabbau einhergehen, haben zur Abflachung von Unternehmenshierarchien geführt. Dies wirkt sich negativ auf die Anzahl der vorhandenen gehobenen Positionen in einem Unternehmen aus, wodurch der hierarchische Aufstieg erschwert wird und hochqualifizierten Mitarbeitern weniger Entwicklungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (Domsch und Ladwig, 2011, Heslin, 2005, Schein, 1990). Gleichzeitig hat sich in der Gesellschaft das Verständnis darüber, was eine Karriere ausmacht, stark gewandelt. Verkürzte Laufbahnzyklen und Unternehmensangehörigkeit, eine zunehmende Internationalisierung sowie der lauter werdende Ruf nach Individualisierung, Work-Life-Balance, flexiblen Lebensarbeitszeiten und Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit sind wiederkehrende Themen, die Arbeitnehmer heute beschäftigen (Mulhall 2011, Briscoe und Hall, 2006, Sullivan und Baruch, 2009). Sie führen dazu, dass ein stringenter Aufstieg innerhalb einer Unternehmenshierarchie als weniger erstrebenswert eingestuft wird (Hall, 2002, Reitmann und Schneer, 2003, Reumschlüssel und Brauner, 2011). In Anbetracht der aktuellen Rahmenbedingungen wird deutlich, dass Maßnahmen erarbeitet werden müssen, mit denen sich Unternehmen als attraktive Arbeitgeber darstellen können, um qualifiziertes Personal auf sich aufmerksam zu machen. Gleichzeitig müssen Programme für Mitarbeiter angeboten werden, die eine dauerhafte Weiterentwicklung gewährleisten und dazu geeignet sind, Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Zu solchen Programmen zählen unter anderem gut konzipierte Laufbahnkonzepte, die Mitarbeitern Entwicklungsmöglichkeiten bieten und ihre Beschäftigungsfähigkeit erhalten. In ca. der Hälfte der DAX-30-Unternehmen sind Expertenlaufbahnen zu diesem Zweck etabliert, und auch in mittelständischen Unternehmen gewinnen Expertenlaufbahnen an Bedeutung (Geiger und Rausch, 2008). Die vorliegende Veröffentlichung vermittelt einen Überblick darüber, was bei der Konzeption von Fach-/ Expertenlaufbahnen beachtet werden sollte, um sicherzustellen, dass diese einen Beitrag zur gezielten Personalentwicklung und -bindung leisten